Elektrische Spannung

 

Was ist elektrische Spannung?

In elektrisch leitenden Metallen sind die Atome in Gitterform angeordnet. Um das Metallgitter zu stabilisieren (günstigere energetische Eigenschaften) spalten sich von den Atomen Valenzelektronen (Elektronen der äußersten Schale) ab und sind im Metall frei beweglich (siehe Bild). Die fest in das Gitter eingebundenen Atomrümpfe sind nun positiv geladen. Eine genauere Erklärung findet sich im Kapitel Werkstofftechnik.

 

 

Im Normalzustand ist an allen Stellen des metallischen Leiters die Konzentration an freien Elektronen nahezu konstant. Es wird nun in der Mitte des metallischen Leiters eine "Ladungstrennungseinrichtung" eingebaut. Deren Aufgabe ist es, freie Elektronen von der rechten Seite des metallischen Leiters auf die Linke Seite zu befördern. Da sich dabei die immer größer werdende Anzahl an Elektronen auf der linken Seite gegenseitig abstoßen und gleichzeitig die mehr und mehr vorhandenen positiv geladenen Atomrümpfe auf der rechten Seite die Elektronen auf der linken Seite anziehen, ist Energie notwendig, um die Ladungstrennung aufrecht zu erhalten. An den Anschlussklemmen gibt es nun eine unterschiedliche Konzentration von Ladungsträgern: Auf der linken Seite besteht ein Überschuss an negativen Ladungen, auf der rechten ein Überschuss an positiven Ladungen. Zwischen diesen Punkten herrscht eine Spannung.

  • Die elektrische Spannung ist die zur Trennung aufgewendete Energie W (oder Arbeit, Einheit Joule, [J]) pro Ladung Q

\(\boxed{\begin{array}{ccl}\mathrm{U} & = &  \mathrm{\dfrac{W}{Q}}  \end{array}}\)

  • Die Einheit der Spannung U ist das Volt [V]

\(\boxed{\begin{array}{ccl}\mathrm{U} & &  \textrm{Elektrische Spannung} \\&&\\ \mathrm{[\dfrac{J}{C}] = [V]} & & \mathrm{\dfrac{Joule}{Coulomb}\equiv Volt} \\&&\\ \mathrm{[VAs] = [J]} & & \mathrm{VAs \equiv Joule} \end{array}}\)

  • Sobald zwischen zwei Punkten eine unterschiedliche Anzahl an Ladungen vorhanden ist, ist eine Spannung vorhanden. Die Punkte müssen dazu nicht verbunden sein!
  • Wird die Ladungstrennungseinrichtung abgeschaltet, so stellt sich der Normalzustand aufgrund der Anziehungs- und Abstoßungskräfte wieder her.

 

 

Beispiel:

Beim Einsatz einer Arbeit von W = 7 Joule wird eine Ladungsmenge von Q = 7 C verschoben (Bild rechts oben).

a) Auf wieviele Elektronen wirkt die Arbeit?

\(\mathrm{ n = \dfrac{Q}{e} = \dfrac{7 C}{1,602 \cdot 10^{-19} C} = 4,37 \cdot 10^{19} Elektronen} \)

 

b) Wie groß ist die Spannung, die an den Klemmen gemessen werden kann?

Die Spannung ist die Energie pro Coulomb, also die Energie, die auf \(\mathrm{6,24 \cdot 10^{18} Elektronen} \) wirkt.

\(\mathrm{U = \dfrac{W}{Q} = \dfrac{7 J}{7 C} = 1 V } \)

 

c) Es wird nun mehr Arbeit (14 J) aufgewendet, um die gleiche Anzahl an Elektronen weiter in die linke Hälfte zu verschieben (Bild rechts unten). Wie groß ist die Spannung jetzt?

\(\mathrm{U = \dfrac{W}{Q} = \dfrac{14 J}{7 C} = 2 V } \)

 

 

Wie wird elektrische Spannung erzeugt?

Es gibt verschiedene Arten, elektrische Spannung zu erzeugen, also eine Ladungstrennung hervorzurufen.

 

1.) Spannungserzeugung durch Induktion:

Ein sich änderndes magnetisches Feld, z.B. durch Bewegung hervorgerufen, induziert in einer Spule eine Spannung. Ein Beispiel ist die Erzeugung von Spannung durch Generatoren in Kraftwerken.

2.) Spannungserzeugung durch Chemische Reaktion:

Zwischen zwei verschiedenen Metallen, in einer leitenden Flüssigkeit (Elektrolyt) entsteht eine Spannung (z.B. Batterien, Akkumulatoren).

 

3.) Spannungserzeugung durch Licht:

Durch die Einwirkung von Licht, werden an einem pn-Übergang eines Halbleiters Ladungen getrennt (z.B. bei Fotovoltaikanlagen).

 

4.) Spannungserzeugung durch Kristallverformung:

Durch Druck auf einen Piezokristall verformt sich das Kristallgitter und polarisiert die Moleküle. Eine Spannung entsteht. (z.B. Gasanzünder).

 

5.) Spannungserzeugung durch Reibung

Durch das aneinander Reiben von unterschiedlichen Isolierstoffen werden Ladungen getrennt. (Statische Entladungen, Blitze, Reiben von Kunststoffstab an Wolltuch, siehe Seite zur elektrischen Ladung).

 

6.) Spannungserzeugung durch Wärme

Werden zwei verschiedene Metalle verbunden und die Verbindungsstelle erhitzt, entsteht zwischen den Leitern eine Spannung (z.B. zur Temperaturmessung).

 

 

Wie wird elektrische Spannung gekennzeichnet?

 

Im folgenden Bild ist das Prinzip beispielhaft dargestellt. Rechtecke, die mit + gekenzeichnet sind, besitzen einen Überschuss an positiven Ladungen (also einen Elektronenmangel). Dieser Elektronenmagel könnte z.B. durch Reibung erzeugt worden sein (siehe oben). Ein Punkt wird in der Regel als Bezugspunkt verwendet, auf den sich alle Messungen beziehen. Der Bezugspunkt kann frei gewählt werden. Das mit - gekennzeichnete Rechteck besitzt einen Überschuss an negativen Ladungen und wird als Bezugspunkt (Masse) ausgewählt. Da es zwischen den Rechtecken und dem Bezugspunkt eine unterschiedliche Konzentration von Elektronen gibt, ist zwischen den Rechtecken und dem Bezugspunkt eine Spannung vorhanden.

Das Vorhandensein einer positiven elektrischen Spannung wird in der Regel mit einem Pfeil zwischen einer positiveren geladenen Stelle hin zu einer negativeren geladenen Stelle gekennzeichnet. Spannung kann zwischen beliebigen Punkten gemessen werden. Es wird angenommen, dass eine Spannung zwischen den Punkten A und E von +3 V besteht. Die Spannung UAE, die von der positiveren Stelle zur negativeren Stelle zeigt, beträgt also UAE = + 3 V. Wird der Spannungspfeil umgedreht, so wird zwischen den Punkten E und A gemessen, also von der negativeren Stelle hin zur positiveren Stelle. Die Spannung wird dann als UEA bezeichnet und betägt UEA = - 3 V. Das gleiche Prinzip gilt für alle anderen Punkte.

Die positive Spannung (also UAE, UBE und UDE), die von beliebigen Punkten gegenüber dem Bezugspunkt gemessen wird, wird als Potenzial bezeichnet.

Merke:

  • Der Bezugspunkt, auf den sich alle Spannungsmessungen beziehen, wird als Massepunkt, Erde oder Ground bezeichnet.
  • Das Potenzial ist eine Spannung von einem beliebigen Punkt gegenüber dem Bezugspunkt.
  • Die Kennzeichnung einer positiven Spannung von einer positiveren Stelle A zu einer negativeren Stelle E ist ein Pfeil von A nach E und wird als UAE bezeichnet. Die gleiche Spannung kann auch als Pfeil von E nach A (UEA) angegeben werden. Diese Spannung ist jedoch dann negativ, weil der Pfeil von einer negativeren Stelle zu einer positiveren Stelle zeigt.
  • Die Bezeichnung der Buchstaben bei einer Spannung gibt die Richtung des Spannungspfeils an (z.B. UAE = +3 V bedeutet, dass der Pfeil von Punkt A nach E zeigt und der Punkt A positiver geladen ist, als der Punkt E).

 

Spannung kann nicht nur gegen den Bezugspunkt auftreten, sondern zwischen beliebigen Punkten. So ist es auch möglich, die Spannung zwischen den Punkten A und B oder A und D zu messen. Wenn eine Spannung nicht mehr gegen Masse gemessen wird, so ist sie kein Potenzial mehr, sondern der Unterschied zwischen zwei Potenzialen. Im unteren Bild wird z.B. die Spannung UAB zwischen Punkt A und B gemessen.

  • Punkt A besitzt ein Potenzial von +3 V (also eine Spannung von +3 V gegenüber Masse). Punkt B besitzt ein Potenzial von +1,5 V. Die beiden Punkte A und B besitzen also auch eine unterschiedliche Anzahl von positiven Ladungen. Punkt A besitzt mehr positive Ladungen als Punkt B. Folglich ist zwischen den Punkten A und B auch eine Spannung vorhanden.
  • Wenn Punkt A eine Spannung von +3 V gegenüber Masse besitzt und Punkt B eine Spannung von +1,5 V gegenüber Masse besitzt, dann ist zwischen den Punkten A und B eine Spannung von +1,5 V vorhanden.
  • Die Spannung zwischen Punkt A und Punkt D ist 0 V, da beide das gleiche Potenzial von +3 V besitzen, also beide den gleichen Überschuss an positiven Ladungen.

 

Eine Spannung zwischen zwei beliebigen Punkten ist immer die Differenz der beiden Potenziale dieser Punkte.

 

Beispiel 1:

Zwischen den Punkten mit den angegebenen Potenzialen (Massepunkt hier nicht dargestellt) sollen die Spannungsbezeichungen und Größen angegeben werden:

Für die beiden Punkte 1 und 2 ergeben sich:

U12 = 4,6 V - 2,8 V = +4,6 V

U21 = 2,8 V - 7,4 V = -4,6 V

Für die beiden Punkte C und L ergeben sich:

UCL = -7,4 V - (-2,8 V) = -7,4 V + 2,8 V = -4,6 V

ULC = -2,8 V - (-7,4 V) = -2,8 V + 7,4 V = +4,6 V

Die anderen Spannungen ergeben sich analog.

 

Beispiel 2:

Es sollen die Spannungen U31, U14, U32, und U23 angegeben werden.

U31 = U30 - U10 = 8 V - 2 V = +6 V

U14 = U10 - U40 = 2 V - 12 V = -10 V

U32 = U30 - U20 = 8 V - 4 V = +4 V

U23 = U20 - U30 = 4 V - 8 V = - 4 V

 

Beispiel 3:

In einer elektronischen Schaltung werden Spannungen an verschiedenen Messpunkten (gekennzeichnet mit O) gemessen. Die Potenziale (Spannungen gemessen gegenüber der Masse M) sind an jedem Messpunkt angegeben.

 

  • Die Spannung U1M wird zwischen dem Messpunkt 1 und der Masse (also dem Bezugspunkt aller Messungen) gemessen. Beide besitzen das Potenzial 0 V. Somit ist U1M = 0 V. Dasselbe gilt für die Spannung U8M, U10M, U81 usw. Generell gilt: Sind zwei Messpunkte nur mit einer Leitung verbunden, ohne dass Bauelemente dazwischen vorhanden sind, so ist ihr Potenzial ungefähr gleich groß! Eine genauere Erklärung, warum das so ist, findet sich im Kapitel Elektrischer Widerstand.
  • Die Spannung U21 ist dann genauso groß wie die Spannung U2M. Sie beträgt 5 V und ist ein Potenzial.
  • Es ist möglich Spannung zwischen zwei Punkten zu messen, die nicht direkt verbunden sind. Spannung tritt ja immer dann auf, wenn an zwei Punkten eine unterschiedliche Konzentration von Elektronen vorhanden ist. Dazu müssen die Punkte nicht verbunden sein. Die Spannung U54 berechnet sich somit aus: U54 = U5M - U4M = 2 V - 24 V = -22 V. Diese Spannung ist kein Potenzial, weil sie nicht gegenüber Masse gemessen wird. Die Spannung U4M = 4 V ist ein Potenzial und stellt die Spannung am Ausgang des Operatiosnverstärkers K1 gegenüber Masse dar.
  • Die Spannung U56 berechnet sich aus: U56 = U5M - U6M = 2 V - 4 V = - 2 V. Diese Spannung ist kein Potenzial. Zwischen den Messpunkten liegt ein Widerstand. Die Spannung U56 fällt also über einen Widerstand ab. In der Regel werden solche Spannungen einfach mit dem Namen des Widerstandes bezeichnet, hier: UK1. Die Spannung U34 beträgt 21,5 V und fällt über dem Widerstand RV ab (U34 = URV).
  • Der Messpunkt 8 ist direkt mit Masse verbunden. Er besitzt somit die Spannung U8M = 0 V gegenüber Masse. Am positiven (+) Eingang des Operationsverstärkers K2 liegen also 0 V an.
  • Die Spannung U910 ist identisch mit der Spannung U9M und stellt die Ausgangsspannung des Operationsverstärkers K2 gegenüber Masse dar.